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„Beerdigt mich anonym!“ – Die Bestattungskultur im Wandel

In diesem Beitrag möchte ich Euch die deutsche Bestattungskultur näher bringen. Dazu starten wir mit einem Überblick der Bestattungsgeschichte. Ziel dieses Blogartikels ist es jedoch, mit Euch über den momentanen Wandel in Bezug auf Friedhöfe, Bestattungsarten und der Trauerkultur in Deutschland zu sprechen.

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Die Geschichte der Bestattungskultur

In der Geschichte ist es sehr schwierig über eine rein deutsche Bestattungskultur zu sprechen, da die Ländergrenzen sich selbstverständlich über die Jahrtausende stark verändert haben. Allgemein lässt sich erwähnen, dass die Bestattung extrem abhängig vom Stand der Verstorbenen war (siehe z.B. die Pyramiden aus dem alten Ägypten).

Bestattungskultur im Wandel | Pyramiden
Umgang mit den Toten: Pyramiden, Ägypten

10.000 – 4.000 v. Christus wurde durch Versenkung in Mooren, Sümpfen oder im Meer beigesetzt. Eine häufige Folge war eine Mumifizierung durch klimatische Einflüsse (bei Versenkung in Mooren oder Sümpfen). Bis 1.400 v. Christus wurde die „Erdbestattung“ in Großsteingräbern entwickelt.

In der Zeit bis 800 v. Chr. verdrängten allmählich die Feuerbestattungen Erdbestattungen in Mitteleuropa. Die Aschen wurden in urnenähnlichen Gefäßen auf dafür vorgesehenen Grabfeldern beigesetzt. Bis zur Zeitenwende herrschte die Feuerbestattung weiter vor, jedoch gab es auch andere Riten unterschiedlichster Völker. Zu nennen wären z.B.: Kelten – Hügelgräber, Römer – römische Katakomben (Körperbestattung), asiatische Völker – „Nekropole“ (unterirdisch angelegte Grabfelder).

Bestattungskultur im Wandel | Katakomben
Die letzte Ruhe in den römischen Katakomben

Im Zuge der anschließenden Christianisierung setzte sich die Erdbestattung wieder durch. Im Jahr 785 wurde die „heidnische“ Feuerbestattung dann schlussendlich durch Karl den Großen verboten.

Ab dem frühen Mittelalter (ab ca. 1000 n. Chr.) fiel die Totenfürsorge in die Hände der Kirchen. Bestattet wurde in Kirchen, beziehungsweise den Nebenräumen der Gotteshäuser oder auf dem Kirchhof. Der Bestattungsort war, wie eingangs erwähnt, eine Frage des Standes. So wurden z.B. Selbstmörder/-innen, Hingerichtete, Andersgläubige oder Ehebrecher/-innen auf sog. „Pestfriedhöfen“ außerhalb der Städte beerdigt. Für die Gefallenen errichtete man in Kriegszeiten geweihte Massengräber.

Im 16. Jahrhundert befand sich die Bestattungskultur durch reformatorische Bewegungen im Wandel. So vertrat Martin Luther die Meinung, dass die Friedhöfe aus hygienischen Gründen auch außerhalb der Städte angelegt werden dürften. Somit rückten immer mehr die Hinterbliebenen in den Mittelpunkt. Durch den westfälischen Frieden 1648 wurde die streng konfessionelle Bestattung gelockert.

Mit dem 1730 angelegten „Herrnhuter Gottesacker“ wurde der erste Friedhof unter ästhetischen Aspekten (einheitliche Grabgrößen, genormte Grabmale) geschaffen und somit ein Grundstein für neue Friedhöfe und Friedhofskultur gelegt. Eine anschließende Reformgesetzgebung im Jahre 1800 sorgte für eine große Verlegungswelle der Friedhöfe außerhalb der Städte aus Gründen der Hygiene, aber auch durch die immer größer werdende Distanz zwischen Tod und Leben. Der Tod gehörte für die Bevölkerung nicht mehr zum Leben. Eine Kommunalisierung und Bürokratisierung der Friedhöfe erfolgte, der Staat erhielt Weisung- und Kontrollrechte für das Bestattungswesen.

Bestattungskultur im Wandel | Grabsteine am Friedhof
Einheitlich gestalteter Friedhof, Grabpflege

Die Rolle der Kirche – ein Abwärtstrend

Anders als im frühen Mittelalter, entwickelt sich die Rolle der Kirche im Todesfall derzeit rückläufig. So befindet sich der Anteil kirchlicher Bestattungen seit der Jahrtausendwende im Abwärtstrend. 2020 lag der Anteil kirchlicher Bestattungen in Deutschland erstmals unter 50 % (vgl. Anzahl der kirchlichen Bestattungen in Deutschland und Anteil kirchlicher Bestattungen unter 50 Prozent gesunken ).

Bestattungskultur im Wandel | weisse alte Kapelle
Kirche und Trauer: Die Bestattungskultur im Wandel

Gründe dafür kann ich jedoch nur rein spekulativ anführen. In meinem Alltag in der Bestattungsbranche beobachte ich einige Punkte, die eine Begleitung der Trauerfeier durch die Kirche erschwert und für den Rückgang gesorgt haben könnten:

  • Die Öffnungszeiten der Pfarrbüros sind häufig sehr spärlich eingerichtet. Somit sinkt die Erreichbarkeit für Bestattungsunternehmen und Angehörige für die Terminierung einer Trauerfeier.
  • Der Personalmangel spiegelt sich auch hier wider. So müssen Gemeinden in Großgemeinden organisiert werden und ein persönlicher Bezug zu den Geistlichen ist für die Familien kaum gegeben.
  • Die seelsorgerische Funktion der Kirche nimmt weiter ab. Früher wurde im Todesfall zuerst der Pfarrer gerufen, um seelischen Beistand zu bekommen. Heute melden sich die Geistlichen zum Teil erst wenige Tage vor der Beisetzung. Einige auch nur per Telefon. Vielleicht ebenfalls ein Resultat des Personalmangels.

Jedoch möchte ich deutlich machen, dass ich pauschal kein „Gegner“ der Kirche bin und auch positive Erfahrungen in meinem Arbeitsalltag sammeln durfte. Außerdem stellt die Kirche für viele Angehörige und Verstorbene einen wichtigen Bestandteil der irdischen Verabschiedung und Trauerzeremonie dar.

Die moderne Bestattungskultur

Verhältnis der Bestattungsarten

In der modernen Bestattungskultur ist die Feuerbestattung vorherrschend. 2021 lag der Anteil der Feuerbestattung bei 77 % (vgl. Anteil von Sarg- und Urnenbestattungen in Deutschland in den Jahren 2012 bis 2021 ), ein Verhältnis, das sich in den letzten Jahrzehnten entwickelte. Vor allem das Erlauben der Feuerbestattung seitens des Christentums im zweiten vatikanischen Konzil (1962-1965) erhöhte die Nachfrage. Die Bestattungskultur ist jedoch regional stark unterschiedlich, sodass in eher ländlichen Regionen das angeführte Verhältnis von Erd- und Feuerbestattung meist nicht stimmt. Dort hat die Erdbestattung noch einen traditionell höher geprägten Wert, wodurch dort noch häufig auf die Bestattung im Sarg zurückgegriffen wird.

Bestattungskultur im Wandel | weißer Sarg im Auto
Sarg/Särge werden vom Bestatter überführt

Der Trend geht zu einer pflegefreien Grabstelle

Die Entwicklungen der „Verbannung“ der Verstorbenen wurden in den letzten Jahrhunderten revidiert. In der Gegenwart sind Friedhöfe feste, parkähnliche Orte der Städte in der Hand von Kommunen oder Kirchen. Die Verstorbenen sollen ihre Ruhe finden, aber auch ein Teil der Gesellschaft bleiben.

Nicht zu vergessen ist die Existenz der Bestattungswälder für eine Baumbestattung. Eine der Bestattungsformen, die sich in den letzten Jahren immer stärker herausgebildet hat.

Zu diesen Trends gehört auch die Bestattung in einer anonymen Grabstelle, eine Unterart von pflegefreien Grabarten. Anonyme Gräber gibt es für Erd- oder Feuerbestattungen.

Wusstest Du? Eine anonyme Beisetzung wird nicht von konfessionellen Friedhöfen und deren Friedhofsverwaltungen angeboten, da die Verstorbenen immer einen Namen behalten sollen.

Außerdem werden sogenannte Gemeinschaftsgrabfelder immer populärer. Diese zeichnen sich durch eine einheitliche, oft moderne und durch Gärtnereien gepflegte Anlegung aus. Eine Namensnennung erfolgt an einem großen, gemeinsamen Grabmal. Dies ist meist eine Säule. Im Umkreis dieses Grabsteins wird die Urne der Verstorbenen der Reihe nach beigesetzt. Für Erdbestattungen sind Gemeinschaftsgrabfelder noch nicht die Regel.

Bestattungskultur im Wandel | Abschiedsrede am Grab
Gemeinschaftsgrab, rechts – Bestattungskultur im Wandel

Grund für den Trend zu pflegefreien Gräbern sind unter anderem Veränderungen innerhalb der Familienleben in Deutschland und der damit einhergehenden Bedürfnisse in der Grabpflege. Familienangehörige leben immer häufiger in unterschiedlichen Orten. Ein ständiger Grabbesuch und vor allem die regelmäßige Pflege gestaltet sich schwierig. Dieser Gedanke, gepaart mit der Aussage, dass die Verstorbenen ihren Angehörigen nicht zur Last fallen wollen (ein Satz, der oft während meinen Bestattungsvorsorgen fällt), spiegelt den Nachfrageanstieg dieser Grabstellen wider.

Wandel der Bestattungsunternehmen

Ein weiterer Aspekt ist, dass sich die Bestattungsbranche in unserer Gesellschaft immer mehr in Richtung der Dienstleistungen ausrichtet. Die Wünsche der Angehörigen werden immer individueller. So werden neben einem Foto oder Urnen auch immer mehr Dienstleistungen, wie z.B. die Begleitung der Trauerzeremonie durch eine Videoaufnahme angeboten.

Außerdem spielt das Thema Software bei den modernen Unternehmen eine immer größer werdende Rolle. Die Geschäftsführer/-innen erkennen den Wandel der Bestattungskultur auch in Bezug auf die Beratung der Angehörigen an. Die Familien sind digital deutlich aufgeklärter, als noch vor ein paar Jahren. Ein individuelles Bestattungsportal für die Angehörigen, auf dem Informationen bereitgestellt werden, ist keine Seltenheit mehr in Deutschland.

Bestattungskultur im Wandel | Computerbildschirm mit Software
Software, Analysen: Die Digitalisierung zieht auch in der Bestattungskultur ein

Ist diese Bestattung nachhaltig?

Ein für diesen Blog letztes, aktuelles Thema ist die Nachhaltigkeit der Bestattung. Diese Frage beschäftigt die Verbraucher/-innen im Zuge der Klimakrise immer mehr. Dies überträgt sich ebenfalls auf Bestattungen.

„Wer will, dass die Welt so bleibt wie sie ist, der will nicht, dass sie bleibt.“ – Erich Fried –

Dies bedeutet für die Unternehmen neben dem Verkauf biologisch abbaubarer Urnen, vor allem auch auf die Lieferketten und Materialien der angebotenen Produkte zu achten. So wurde z.B. das Label „Grüne Linie“ ins Leben gerufen, welches eine Antwort auf diese Probleme bietet und sich auch mit weiteren Fragen beschäftigt, wie z.B.: „Kann man das Kaffeetrinken nach der Bestattung ebenfalls nachhaltiger gestalten?“ (vgl. Grüne Linie ).

Bestattungskultur im Wandel | Blick auf See und Wald
Wunsch nach Baum- und Seebestattung in der Natur

Wusstest Du? Auch bei der Feuerbestattung wird versucht, CO2 einzusparen und zu kompensieren. So gibt es bereits Elektroöfen, die ein Drittel weniger Energie verbrauchen, als Gasöfen.

Ein Blick in die Zukunft

Selbstverständlich kann ich nicht hellsehen. Jedoch werde ich Euch in diesem Abschnitt einen Überblick über mögliche Entwicklungen unserer Trauerkultur geben, welchen ich durch zahlreiche Messebesuche und regen Austausch mit Personen aus der Branche gewonnen habe.

Entwicklung der Friedhöfe

In Zukunft werden die Friedhöfe ihre Friedhofsplanung deutlich anpassen müssen. Durch Veränderungen in der Bestattungskultur und die steigende Anzahl der Feuerbestattungen werden immer mehr Flächen frei, die eine Umgestaltung erfordern. Außerdem wird der Bedarf nach pflegefreien Grabarten weiter steigen.

Der Lockerung der Friedhofspflicht sehe ich eher kritisch entgegen, da diese tief in unserer Kultur verankert ist. Jedoch haben einige Bundesländer (Bremen und Nordrhein-Westfalen) bereits die Pflicht unter bestimmten Voraussetzungen gelockert. Doch selbst wenn die Friedhofspflicht irgendwann rechtlich aufgelöst werden sollte, glaube ich nicht, dass die öffentlichen Ruhestätten schlagartig weniger Nachfrage erfahren werden. Es steht und fällt mit der Frage, wie wir der Friedhofskultur von Morgen Gestaltung schenken.

Eine Umstrukturierung der Friedhofskultur muss meiner Meinung nach dahingehend erfolgen, dass die Verstorbenen noch mehr in unsere Mitte geholt werden. Der Friedhof der Zukunft hat für mich auch ein Café, einen Kindergarten oder auch Sportangebote, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Eine weltweit einzige Auseinandersetzung zu dem Thema ist im Juni 2023 in Süßen eröffnet worden: Der Campus Vivorum. (vgl. Campus Vivorum )

Weitere Neuerungen

Bestattungskultur im Wandel | virtuelle Brille
Virtual Reality: Bestattungskultur im Wandel

Wir werden uns auch mit Virtual Reality im Bereich der Trauer auseinandersetzen müssen. Bereits heute gibt es Firmen, die virtuelle Erinnerungsräume anbieten, die mit Bildern, Videos und Sprachnachrichten individuelle Gestaltung erfahren können.

Eine etwas nahbarere Möglichkeit bieten sog. Gedenkseiten, die das Prinzip auf den Browser in 2D übertragen. Auch viele Bestattungsunternehmen haben eigene Gedenkportale eingerichtet. Dies wird sich meines Erachtens nach noch weiter verstärken.

In den Niederlanden ist ein Livestream der Bestattungen längst keine Seltenheit mehr. Dieser Wandel wird sich mit der Digitalisierung unseres Landes auch auf unsere Bestattungskultur übertragen. So können auch Freunde und Familienmitglieder, die nicht vor Ort sein können, in naher Zukunft an der Verabschiedung teilnehmen. Die Frage ist jedoch, ob diese Livestreams eine echte Alternative zum Besuch der Trauerzeremonie werden. Ich denke eher, dass es ein ergänzendes Instrument darstellen wird.

Die Trauerredner Hotline für eine rasche Vermittlung

Die Agentur Freie Redner hat es sich zum Ziel gemacht, Euch bei der Suche in dieser schwierigen Zeit zu unterstützen. Die Auswahl von Trauerrednern und Trauerrednerinnen ist groß und als Angehörige ist es oftmals nicht leicht, den Überblick zu behalten. Wir möchten Euch die Suche nach einem Redner abnehmen. Diese Hotline ist von Montag bis Samstag von 10 – 20 Uhr für Euch erreichbar! Außerhalb dieser Zeiten könnt Ihr uns jederzeit eine Mail zukommen lassen an  anfrage@freieredner.com
Innerhalb von maximal 24 Stunden präsentierten wir Euch die passende Trauerrednerin oder den passenden Trauerredner präsentieren.

Abschließende Worte

Zum Abschluss möchte ich Euch mitgeben, dass ein Wandel der Bestattungskultur auf jeden Fall stattfindet. Das ist aber keineswegs schlimm. Wie wir anfangs in der Geschichte der Bestattungen erfahren haben, wandelten sich Riten und Bräuche zum Thema Tod stetig. Wichtig ist dabei nur, dass wir uns damit auseinandersetzen, welche Werte für uns zum Trauern grundlegend wichtig sind und die Kultur dahingehend nicht verändern. Ob wir dann zusätzliche, z.B. digitale Hilfsmittel nutzen werden, sollten wir als nützliche Ergänzungen werten.

„Nichts ist so beständig wie der Wandel.“ – Heraklit von Ephesus –

Informationen zum Autor

Bestattungskultur im Wandel | Freier Redner Robin bei einer Abschiedsrede
Bestatter und Trauerredner Robin Lelgemann mit Urne

Mein Name ist Robin Lelgemann und ich bin hauptberuflich Bestatter in Essen. Meine Vision ist das Thema Bestattungen mehr in die Öffentlichkeit zu bringen und uns so mit unserer Bestattungskultur auseinanderzusetzen. Die wichtigsten Medien dafür sind die Instagram-Accounts der Freien Redner (@freieredner_ausbildung und @freie_redner ) und mein persönlicher (@robin.lelgemann ). Außerdem bin ich Teil des Ausbildungsteams, in dem ich als Ausbilder für Trauerredner/-innen für mehr gute, würdevolle und persönliche Abschiede sorgen darf. Um all dies auch fachlich fundiert betreuen zu können, bilde ich mich fortgehend weiter. Momentan bin ich auf dem Weg, Bestattermeister zu werden.

Euer Robin Lelgemann

Namensnennung der Fotografen: Pixapay.com, eigener Fotoserver

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